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Die Positionen der DGKFO
Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO)

zu den Vorschlägen zur Änderung der kieferorthopädischen Leistungspositionen im BEMA

Die Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO) sieht sich als wissenschaftliche Gesellschaft veranlasst, zu den offenbar geplanten Änderungen der kieferorthopädischen Leistungspositionen im BEMA Stellung zu nehmen, da zu befürchten ist, dass die drastischen Abwertungen der wesentlichen Leistungen im Bereich der Kieferorthopädie die Qualität der kieferorthopädischen Versorgung in Deutschland erheblich beeinträchtigen werden. Der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen sollte seine diesbezüglichen Entscheidungen nicht ohne Kenntnis der gravierenden Bedenken der Fachgesellschaft treffen.

Nach den vorliegenden Informationen ist u.a. geplant, die Punktbewertung in den Stufen c und d der kieferorthopädischen Komplexleistungen (BEMA 119/120) um 28 % bzw. 43 % zu reduzieren. Im Bereich der Positionen für festsitzende Apparaturen (126-128) soll angeblich eine Abwertung um bis zu 37 % (Pos. 127 c) erfolgen. Hierdurch wären von der Abwertung die Hauptpositionen der in kieferorthopädischen Praxen anfallenden Leistungen betroffen, geringe Höherbewertungen beträfen nur wenige kieferorthopädische Leistungen.

Dies hätte eine dramatische Minderbewertung kieferorthopädischer Behandlungsmaßnahmen zur Folge. So ergab eine Vergleichsrechnung auf der Basis aller im Jahre 2002 über die KZVH abgerechneten Leistungen für den Bereich der Poliklinik für Kieferorthopädie der Universität Frankfurt bei Anwendung der vorgesehenen neuen Leistungsbewertungen eine Reduzierung der Punktwertsumme um 24,51%.

Es ist nicht Aufgabe der wissenschaftlichen Gesellschaft, auf die betriebswirtschaftlichen Aspekte und die wirtschaftlichen Folgen für die kieferorthopädischen Praxen einzugehen, obwohl die Universitätskliniken, deren Leistungen ohnehin einer zusätzlichen Kürzung um 30 % unterliegen und die erfahrungsgemäß in besonderem Maße die extrem schwierigen Fälle—hauptsächlich unter Anwendung von festsitzenden Apparaturen—zu versorgen haben, von der Abwertung besonders hart betroffen sind.

Betriebswirtschaftliche Argumente sollten aber von den Standesorganisationen vorgebracht werden. Es lässt sich unschwer voraussagen, dass eine derart dramatische Abwertung gravierende Folgen für die Qualität der Versorgung der Patienten kieferorthopädischer Praxen und auf die kieferorthopädische Weiterbildung haben würde. Bereiche, für die die wissenschaftliche Gesellschaft eine Zuständigkeit beansprucht. Eine erhebliche Minderung der Qualitätder kieferorthopädischen Versorgung kieferorthopädischer Patienten im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung ist aus folgenden Gründen zu befürchten:

1. Kieferorthopädische Behandlungen der niedrigen Schwierigkeitsgrade (a und b) dürften weitgehend Zahnstellungs- und Bissanomalien betreffen, die durch die ab 1.1.2002 geltenden Kieferorthopädische Indikationsgruppen (KIG) aus der vertragszahnärztlichen Versorgung ausgegrenzt wurden und die, wenn überhaupt, vorwiegend in zahnärztlichen Praxen behandelt werden. Die Anomalien der KIG Stufen 3-5 erfordern in der Regel schwierige und umfangreiche Therapiemaßnahmen, die schwerpunktmäßig in Fachpraxen oder Kliniken behandelt werden und nach den Richtlinien in die Stufen 119/120 c bzw. 119/120 d einzugruppieren sind. Gerade diese Schwierigkeitsstufen sind aber von der Abwertung besonders betroffen.

Da sich Kieferorthopäden nach der Fachzahnarztordnung auf ihr Fachgebiet beschränken müssen und im Gegensatz zu Allgemeinzahnärzten daher keine Möglichkeit haben, Umsatzeinbußen durch Ausweichen auf andere zahnärztliche Tätigkeitsfelder teilweise auszugleichen, ist zu befürchten, dass sie in geeigneten Fällen anstelle der materialintensiven und für sie daher teuren Behandlung mit festsitzenden Apparaturen auf eine Therapie mit herausnehmbaren Geräten ausweichen. Dies würde die deutsche Kieferorthopädie auf den Stand von vor 40 Jahren zurückwerfen. Der zu befürchtende Qualitätsverlust ginge zu Lasten der Patienten.

2. Da die Leistungspositionen für festsitzende Apparaturen die Materialkosten enthalten und eine Zuzahlungsregelung im Bereich der Kieferorthopädie gesetzlich nicht vorgesehen ist, besteht die Gefahr, dass jeweils nur die billigsten Materialien verwendet werden und teurere moderne Legierungen nicht zur Anwendung gelangen. Dies wäre nicht im Sinne einer biologischen, möglichst schonenden und risikoarmen Behandlung der Patienten; das Risiko schädlicher Einwirkungen auf Zahn und Zahnhalteapparat (z.B. Wurzelresorptionen, parodontale Schäden etc.) würde sich sehr zum Schaden der Patienten erhöhen. Dies würde auch dem vom Gesetzgeber geforderten medizinischen Fortschritt und der Orientierung zu präventiven Maßnahmen widersprechen.

3. Zurzeit ist in Deutschland die kieferorthopädische Weiterbildung durch die Weiterbildungsordnungen der Landeszahnärztekammern auf der Basis europäischer Vorgaben geregelt. Die fachspezifische Weiterbildung umfasst bundesweit eine dreijährige ganztägige fachspezifische Weiterbildung zum Kieferorthopäden nach bestandenem Staatsexamen und eine mindestens einjährige allgemeinzahnärztliche Tätigkeit. Für die Zeit der kieferorthopädischen Weiterbildung nimmt ein Assistent erhebliche finanzielle Opfer auf sich, da er entweder nur ein reduziertes Gehalt bekommt, ohne Entgelt arbeitet oder sogar für eine universitäre Weiterbildung im Ausland noch beträchtliche Gebühren zu entrichten hat. Andererseits ist ein Zahnarzt nach Erhalt der Approbation berechtigt, kieferorthopädische Behandlungen durchzuführen.

Auch werden in jüngster Zeit vermehrt kieferorthopädische Fortbildungsserien angeboten, die der Zahnarzt besuchen kann, ohne den Betrieb seiner Praxis zu unterbrechen. Es ist zu befürchten, dass bei der offenbar beabsichtigten Reduzierung der Honorare für komplexe kieferorthopädische Behandlungen junge Kollegen nicht mehr bereit sind, den finanziell und zeitaufwändigen Weg der Weiterbildung einzuschlagen, auf dieselbe verzichten und es vielmehr vorziehen, als Zahnarzt kieferorthopädisch tätig zu sein.

Diese eingeschränkte Aus- und Fortbildung anstelle einer mehrjährigen Weiterbildung auf wissenschaftlicher Basis hätte ohne Zweifel einen erheblichen Qualitätsverlust zur Folge und würde den vom Gesetzgeber geforderten erhöhten Qualitätsansprüchen Hohn sprechen. Aus den angeführten Gründen wird der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen nachdrücklich gebeten, die vorliegenden Vorschläge zu überdenken und die vorgebrachten Argumente bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen.

Prof. Dr. Peter Schopf, Vorsitzender der DGKFO